Das Beste kommt noch!

Andacht Barbara 1
Bildrechte Pfarramt Weißenbach

Liebe Leserin, lieber Leser!

„Frau Pfarrerin, glauben Sie das echt, was Sie da grad erzählt haben?“ Das wurde ich bei einem Tröster gefragt. Diese Frage geht vielen durch den Kopf, wenn sie am Grab eines geliebten Menschen stehen. Da wir­beln Gefühle wie im Schleudergang der Waschmaschine, man möchte sich gern an etwas festhalten. Allzu sichere Antworten rufen sofort eine skeptische Abwehrhaltung hervor. Gestotter und Gestammel will aber auch keiner hören. Ist es nicht seltsam? Wir leben in einer so aufgeklärten Zeit, können die Entstehung des Lebens wie das Verge­hen des Körpers minutiös nachzeichnen.  Aber die eine Frage beantwortet das über­haupt nicht: Was ist mit mir, was ist mit meinen lieben Menschen im und nach dem Tod? Kann es sein, dass das, was ich an ihm/ihr kenne und schätze - die kleinen liebenswerten Details, Schrullen, Begabun­gen, die großen wertvollen Erinnerungen - dass all dies nun weg ist, wie wenn ich eine Datei im PC endgültig gelöscht habe? Nur noch zunehmend vage Erinnerungen in meinem Kopf, der – wie die Wissenschaft ja leider rausgefunden hat – nicht das zuver­lässigste Archiv ist? Unsere Bilder und Posts sausen für immer irgendwo herum, in einer schier unendlichen Daten-Cloud… Was bleibt von einem Leben mit seinen Kämpfen um Anerkennung und Bestäti­gung, all der Sehnsucht nach Zuspruch und Halt, all den Fragen nach Sinn und Hoff­nung?

Mich macht es froh, mich jetzt mit 60 an so viele Menschen zu erinnern, die mir auf den Weg geholfen, mich ein Stück begleitet haben - Großtanten und Lehrer, Freunde aus Schul- und Studientagen, Menschen aus all den Gemeinden, in denen ich gear­beitet habe. Einige leben noch. Viele sind nicht mehr da – aber die Erinnerung an sie lässt jetzt noch meine Mundwinkel nach oben gehen, Tränen der Dankbarkeit oder Rührung in die Augen steigen. Ich spüre heute noch Versöhnung nach einem hefti­gen Streit oder langen Phasen der Entfrem­dung. Und ich weiß das alles auf eine andere Art „aufgehoben“ als in der unper­sönlichen, technischen Daten-Cloud. Was immer da an Liebe ist und war in meinem Leben - ob quietschvergnügt oder unter Schmerzen gewachsen - das wird nicht verschwinden. Das wirkt weiter zwischen den Menschen, die mich kannten oder von mir gehört haben, und auch, wenn mich keiner mehr kennt. Das Medium, in dem Liebe gespeichert bleibt, ist unendlich groß. Es ist unsichtbar. Es (ver)braucht keine Energie außer Gefühlen. Es stößt kein CO2 aus. Es ist immer da und zugewandt, stets bereit, Liebe und Sehnsucht nach Liebe zu erkennen, zu würdigen, und Verbindungen zu knüpfen zwischen Seelen, die für einan­der da sein können. Es ist reiner Geist, Heiliger Geist. Dort weiß ich all meine Lieben und all mein Lieben gespeichert, gesichert für immer.

Ja! Ich glaube wirklich, was ich erzähle – hier im modernen Gleichnis oder in Worten der Tradition, die dieses Vertrauen durch die Geschichte der Menschen weitergetra­gen haben. Warum sollte es mit uns auf­hören?

Es geht in den Herbst hinein. Die Natur führt uns die Vergänglichkeit vor Augen. Und weist in den Knospen schon wieder auf neues Leben hin. Auch wir von der Kirche weisen immer wieder darauf hin: Der Tod ist nicht das Ende. Neues Leben ist uns zuge­sagt. Das Beste kommt noch. Gott liebt das Leben und uns und „hebt uns auf“. Jetzt schon in Zeiten von Trauer & Hoffnungs­losigkeit, einmal ganz und gar. Im Gottes­dienst treffen sich Leute, die diesen Glau­ben teilen und sich darin gegenseitig stärken können. Wir laden Sie in der Zeit der Stillen Gedenktage besonders herzlich dazu ein.

Pfarrerin Barbara Weichert

 

 

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